Zürcher Nachrichten - Pro-russische Behörden von Cherson wollen Kreml um Annexion bitten

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Pro-russische Behörden von Cherson wollen Kreml um Annexion bitten
Pro-russische Behörden von Cherson wollen Kreml um Annexion bitten / Foto: Dmytro 'Orest' Kozatskyi - AFP

Pro-russische Behörden von Cherson wollen Kreml um Annexion bitten

Im Ukraine-Krieg verdichten sich die Anzeichen, dass Russland entgegen seiner Beteuerungen die Annexion ukrainischer Gebiete plant: Die von Moskau im eroberten Cherson eingesetzten Behörden kündigten am Mittwoch an, sie wollten eine Aufnahme der ukrainischen Region in die Russische Föderation beantragen. Der Kreml erklärte, es sei Sache der Bevölkerung von Cherson, "über ihr Schicksal zu entscheiden".

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Seit Kriegsbeginn im Februar ist die Einnahme der Region Cherson der einzige wirkliche militärische Erfolg Moskaus. Die Eroberung der Region ermöglichte die Schaffung einer Landverbindung zwischen der Krim, dem pro-russischen Separatistengebiet Donezk und Russland. Die nördlich der 2014 von Moskau annektierten Krim gelegene Region ist zudem für die Wasserversorgung der Halbinsel entscheidend.

Ukrainische Vertreter hatten bereits gewarnt, Russland könnte - ähnlich wie auf der Krim-Halbinsel - pro forma ein "Referendum" in Cherson abhalten, um seine Kontrolle über die Region zu festigen. Auch ein US-Vertreter hatte Anfang Mai gewarnt, Russland plane eine manipulierte Volksabstimmung über einen Anschluss der Region.

Der stellvertretende Leiter der pro-russischen Militär- und Zivilverwaltung von Cherson, Kirill Stremussow, erklärte am Mittwoch, die Behörden würden einen Antrag stellen, um Cherson zu einem "vollwertigen Teil der Russischen Föderation" zu machen. Seine Äußerungen legten nahe, dass die Behörden sich mit ihrem Anliegen direkt an Präsident Wladimir Putin wenden wollen, ohne die Menschen in der Region über den Schritt abstimmen zu lassen.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte jedoch: "Solche schicksalhaften Entscheidungen müssen einen rechtlichen Hintergrund haben, eine rechtliche Rechtfertigung, um völlig legitim zu sein, wie es bei der Krim der Fall war."

Putin hatte den Einmarsch in das Nachbarland stets mit dem Vorwurf der Unterdrückung der dortigen russischsprachigen Bevölkerung begründet. Er hatte jedoch erklärt, Russland wolle die Ukraine nicht besetzen. Kiew hatte dem Kreml jedoch bereits eine schleichende "Annexion" Chersons vorgeworfen, nachdem die pro-russischen Behörden die Einführung des russischen Rubels in der Region angekündigt hatten. Stremussow zufolge könnte in den kommenden Wochen auch eine russische Bank in Cherson eröffnet werden.

Der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak kündigte an, die ukrainischen Truppen würden Cherson zurückerobern. "Die Invasoren könnten sogar darum bitten, sich dem Mars oder Jupiter anzuschließen", erklärte er auf Twitter. "Die ukrainische Armee wird Cherson befreien, egal, wie sehr sie mit Worten spielen."

Rund um die Großstadt Charkiw im Nordosten der Ukraine gelang den ukrainischen Truppen nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj die Rückeroberung von Gebieten. "Die Besatzer werden nach und nach aus Charkiw zurückgedrängt", sagte Selenskyj in einer Videobotschaft.

Nach Angaben der Regionalverwaltung von Charkiw drängte die ukrainische Armee die russische Armee aus mehreren Orten zurück. Die "heftigen Kämpfe" in der Region, einschließlich in Charkiw selbst, hielten demnach weiter an.

Durch Charkiw zieht sich nach Angaben der Regionalverwaltung eine Spur der Verwüstung. Unter den Trümmern eines zerstörten Hauses in der unter russischen Kontrolle befindlichen Stadt Isjum wurden demnach die Leichen von 44 Zivilisten gefunden. Die russischen Truppen hinterließen nach ihren Rückzügen zudem "Todesfallen", also Minen, hieß es weiter.

Seit Kriegsbeginn sind allein mehr als 560 Soldaten der ukrainischen Nationalgarde getötet worden. Zudem seien knapp 1700 Mitglieder der Garde verletzt worden, sagte der Leiter der Einheit Oleksij Nadtotschyj am Mittwoch. Zur Nationalgarde zählt auch das bekannte Asow-Regiment, dessen Mitglieder sich im belagerten Stahlwerk von Mariupol verschanzt haben. Sowohl die ukrainische als auch die russische Seite machen nur selten Angaben zu militärischen Verlusten.

P.Gashi--NZN