Zürcher Nachrichten - Schwere Spannungen zwischen Israel und Verbündeten nach Beschluss zur Erweiterung von Gaza-Einsatz

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Schwere Spannungen zwischen Israel und Verbündeten nach Beschluss zur Erweiterung von Gaza-Einsatz
Schwere Spannungen zwischen Israel und Verbündeten nach Beschluss zur Erweiterung von Gaza-Einsatz / Foto: GIL COHEN-MAGEN - AFP

Schwere Spannungen zwischen Israel und Verbündeten nach Beschluss zur Erweiterung von Gaza-Einsatz

Israels Entscheidung für eine Ausweitung seines Armee-Einsatzes gegen die Hamas im Gazastreifen hat zu schweren Spannungen mit seinen Verbündeten geführt. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gab am Freitag als Reaktion einen Teilstopp von Rüstungslieferungen an Israel bekannt - was Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu scharf kritisierte. In Israel selbst rief das Forum der Geisel-Familien für Samstag zu neuen Protesten auf. Auf Antrag mehrerer Mitgliedsstaaten wurde zudem eine Wochenendsitzung des UN-Sicherheitsrats einberufen.

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Das israelische Sicherheitskabinett hatte in der Nacht auf Freitag die Entscheidung zur Ausweitung des Militäreinsatzes im Gazastreifen getroffen. Dem Beschluss zufolge soll die israelische Armee die Kontrolle über die Stadt Gaza übernehmen und zugleich humanitäre Hilfe an die Zivilbevölkerung außerhalb der Kampfgebiete liefern, wie Netanjahus Büro mitteilte.

Das Sicherheitskabinett votierte den Angaben zufolge zudem mehrheitlich für fünf Grundsätze zur Beendigung des Gaza-Kriegs. Diese seien die Entwaffnung der Hamas, die Rückkehr aller Geiseln - der lebenden und der toten -, die Entmilitarisierung des Gazastreifens, die israelische Sicherheitskontrolle im Gazastreifen und die Einrichtung einer Zivilverwaltung, die weder der Hamas noch der Palästinensischen Autonomiebehörde untersteht.

Vor dem Treffen war über Meinungsverschiedenheiten zwischen Netanjahu und dem israelischen Armeechef Ejal Samir spekuliert worden. Der Generalstabschef soll unter anderem eingewandt haben, dass ein ausgeweiteter Militäreinsatz das Leben der von der Hamas noch immer festgehaltenen Geiseln gefährde.

Die israelische Armee hatte im Juli erklärt, 75 Prozent des Gazastreifens zu kontrollieren. Im Rahmen einer erweiterten israelischen Offensive in dem Palästinensergebiet könnten Bodentruppen in dicht besiedelten Gebieten eingesetzt werden, in denen vermutlich Geiseln festgehalten werden, berichteten israelische Medien. Die Stadt Gaza ist die größte des Gebiets.

Kanzler Merz erklärte am Freitag, wegen der vom israelischen Sicherheitskabinett beschlossenen Verschärfung des militärischen Vorgehens werde Deutschland "bis auf Weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern" genehmigen, "die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können". Merz begründete dies damit, dass das nun beschlossene militärische Vorgehen "immer weniger erkennen" lasse, wie die angestrebten Ziele erreicht werden sollten.

Israels Regierungschef Netanjahu kritisierte die Bundesregierung für ihre Entscheidung scharf. Statt den "gerechten Krieg Israels gegen die Hamas" infolge des Großangriffs vom 7. Oktober 2023 zu unterstützen, belohne Deutschland "den Hamas-Terrorismus mit einem Waffenembargo gegen Israel", erklärte Netanjahus Büro. Der Regierungschef habe Merz seine "Enttäuschung" über die Entscheidung mitgeteilt.

Kritik an dem israelischen Beschluss kam unter anderem auch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident António Costa. Beide riefen die israelische Regierung auf, ihre Entscheidung zu überdenken.

Das französische Außenministerium verurteilte den israelischen Plan am Freitagabend "auf das Schärfste". Dieser drohe, in eine "absolute Sackgasse" zu führen, erklärte das Ministerium. Außenminister Jean-Noël Barrot erklärte im Onlinedienst X, ein erweitertes militärisches Vorgehen werde die "katastrophale" Lage verschärfen, ohne zur Befreiung der Geiseln oder zur Entwaffnung der Hamas beizutragen.

Am Samstag soll der UN-Sicherheitsrat in New York zu einer Sitzung über Israels Pläne zusammenkommen. Wie aus Kreisen eines Mitgliedsstaats des UN-Gremiums verlautete, beantragten mehrere der 15 Mitgliedsstaaten die seltene Wochenendsitzung.

Auch in Israel selbst wurde der Plan der Regierung Netanjahu heftig kritisiert. Dieser werde "den Tod von Geiseln und vieler Soldaten, Kosten in Höhe von dutzenden Milliarden für die israelischen Steuerzahler und einen diplomatischen Bankrott" zur Folge haben, erklärte Oppositionsführer Jair Lapid.

Große Sorge äußerten auch die Familien der Geiseln. Dieser Plan "bedeutet, die Geiseln aufzugeben und dabei die wiederholten Warnungen der Armeeführung und den klaren Willen der Mehrheit der israelischen Öffentlichkeit völlig zu ignorieren", erklärte das Angehörigenforum. Für Samstagabend rief das Forum zu einer weiteren Großkundgebung und einem Protestmarsch in Tel Aviv auf.

Fast zwei Jahre nach dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 halten die Islamisten im Gazastreifen noch immer 49 Geiseln in ihrer Gewalt. 27 davon sind nach Einschätzung der israelischen Armee tot. Die humanitäre Situation in dem Palästinensergebiet ist katastrophal, Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln blieben erfolglos.

Die Hamas, die mit ihrem Großangriff auf Israel den Krieg im Gazastreifen begonnen und zuletzt Propagandavideos von ausgehungerten Geiseln verbreitet hatte, nannte den israelischen Plan "ein neues Kriegsverbrechen". Die Einnahme der Stadt Gaza werde Israel "teuer zu stehen kommen", warnten die Islamisten.

Nach 22 Monaten Krieg steht Netanjahu unter starkem Druck aus dem In- und Ausland, Israels militärische Reaktion auf den Hamas-Großangriff zu beenden. Nach UN-Angaben droht in dem Gebiet eine "allgemeine Hungersnot".

Vor dem Krieg hatte die Stadt Gaza etwa eine halbe Million Einwohner. Viele von ihnen sind vor den Kämpfen geflohen und in Zeltlagern untergebracht. Nach mehrfachen israelischen Evakuierungsaufrufen befürchteten einige nun das Schlimmste.

"Sie sagen uns, wir sollen nach Süden gehen, dann wieder nach Norden zurückkehren, und jetzt wollen sie uns wieder nach Süden schicken", sagte die 52-jährige Majsa Al-Schanti der Nachrichtenagentur AFP. "Wir sind Menschen, aber niemand hört uns oder sieht uns."

D.Smith--NZN