Zürcher Nachrichten - Beamte jahrelang zu schlecht bezahlt - Berlin kündigt Neuregelung an

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Beamte jahrelang zu schlecht bezahlt - Berlin kündigt Neuregelung an
Beamte jahrelang zu schlecht bezahlt - Berlin kündigt Neuregelung an / Foto: Odd ANDERSEN - AFP/Archiv

Beamte jahrelang zu schlecht bezahlt - Berlin kündigt Neuregelung an

Viele Beamte in Berlin sind nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts jahrelang zu schlecht bezahlt worden. Die Besoldung der Landesbeamten war zwischen 2008 und 2020 größtenteils verfassungswidrig, wie das Gericht am Mittwoch in Karlsruhe erklärte. Das Land Berlin muss sie nun bis Ende März 2027 neu regeln - die Senatsverwaltung für Finanzen kündigte bereits ein Reparaturgesetz an. (Az. 2 BvL 20/17 u.a.)

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Der Beschluss aus Karlsruhe war mit Spannung erwartet worden, weil auch Gerichte aus anderen Bundesländern das Verfassungsgericht fragten, ob Landesbeamte genug verdienen. Auch für die anderen Bundesländer gelten die Maßstäbe, die das Verfassungsgericht aufstellte. Der Dienstherr muss dafür sorgen, dass Beamte und ihre Familien lebenslang einen amtsangemessenen Unterhalt haben. Die Frage war, wie hoch dieser ausfallen muss.

Das Gericht entwickelte seine bisherige Rechtsprechung zu dem Thema nun weiter. Demnach muss das Einkommen von aktiven Beamten ausreichend von der Armutsgrenze entfernt sein und eine bestimmte Schwelle erreichen, damit sie keine existenziellen finanziellen Sorgen haben. Diese Schwelle liegt bei mindestens 80 Prozent des sogenannten Median-Äquivalenzeinkommens. Das Äquivalenzeinkommen ist ein nach Bedarf gewichtetes Pro-Kopf-Einkommen für jedes Mitglied des Haushalts. Der Median ist der Mittelwert, eine Hälfte der Fälle liegt darüber und die andere Hälfte darunter.

Außerdem muss die Besoldung regelmäßig an die allgemeine Entwicklung der Preise und Löhne angepasst werden. Das habe Berlin nicht ausreichend getan. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass 95 Prozent der geprüften Besoldungsgruppen in den Jahren 2008 bis 2020 verfassungswidrig waren.

Andere Gerichte hatten Karlsruhe die Frage vorgelegt. Ihnen ging es vor allem um Gruppen mit niedrigeren und mittleren Bezügen wie Beamte der Polizei, der Verwaltung oder der Feuerwehr. Das Verfassungsgericht weitete seine Prüfung aber nun auf die gesamte Besoldungsgruppe A aus, die den einfachen, mittleren und gehobenen Dienst umfasst, beispielsweise auch Lehrkräfte.

Der Beschluss bedeutet allerdings nicht, dass nun alle Berliner Landesbeamten Nachzahlungen zu erwarten haben. Eine nachträgliche Behebung der zu niedrigen Löhne betrifft nur Beamte, die der Höhe ihrer Bezahlung widersprachen und über deren Ansprüche noch nicht abschließend entschieden ist. Dabei komme es nicht darauf an, "ob ein förmliches Widerspruchs- oder Klageverfahren schwebt", formulierte das Gericht. Entscheidend sei, dass sich die Beamten "zeitnah gegen die Höhe ihrer Besoldung mit den statthaften Rechtsbehelfen gewehrt haben".

Dem Gesetzgeber könne dadurch nicht unklar geblieben sein, in wie vielen Fällen es möglicherweise zu Nachzahlungen kommen werde. Die Senatsverwaltung für Finanzen erklärte dazu, dass die finanziellen Auswirkungen noch abschließend geprüft werden müssten. Sie verwies darauf, dass der Senat im Doppelhaushalt für 2026 und 2027 schon eine Risikovorsorge von 280 Millionen Euro eingeplant habe.

Die Vorgaben des Gerichts sollten schnellstmöglich umgesetzt werden, hieß es weiter. Das solle nicht nur für die Besoldungsgruppen gelten, über die Karlsruhe entschied, sondern für alle offenen Verfahren in allen Besoldungsgruppen und in allen Besoldungsordnungen bis einschließlich 2020.

Nach Gewerkschaftsangaben wehrten sich zahlreiche Beamte gegen die Höhe ihrer Bezüge. So teilte der Bezirk Berlin-Brandenburg des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) mit, dass mit Hilfe von DGB-Gewerkschaften tausende Beschäftigte Widerspruch gegen ihre Besoldung eingelegt hätten. Die Vorsitzende Katja Karger erklärte, auf Berlin kämen "Nachforderungen in Millionenhöhe" zu.

Auch nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Berlin-Brandenburg legten Beamte schon seit mehr als zehn Jahren Widersprüche gegen ihre Besoldung ein. Sie würden "seit Jahren mit Hinhaltetaktiken abgespeist". Der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbunds, Volker Geyer, sprach von einem "weiteren Warnsignal für alle Dienstherrn". Die Gesetzgeber hätten eine "Pflicht zur kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldung", betonte er.

Gewerkschaftsvertreter forderten in dem Zusammenhang auch den Bund auf, die Besoldung für Bundesbeamte neu zu regeln. Das soll in Umsetzung von Rechtsprechung aus Karlsruhe aus dem Jahr 2020 passieren. "Die Handlungsmaßstäbe liegen jetzt auf dem Tisch, und wir erwarten zügig die ausstehenden Gesetzentwürfe", forderte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle.

Auch die Gewerkschaft der Polizei kritisierte, die Bundesbesoldung bleibe "fünf Jahre nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts weiterhin verfassungswidrig".

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums erklärte zu dem Thema bereits am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP, dass "zeitnah" ein Gesetzentwurf geplant sei, um den Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst auf die Bundesbesoldung zu übertragen. In Verbund damit solle eine amtsangemessene Alimentation sichergestellt werden, um so die neuere Rechtsprechung umzusetzen.

F.Carpenteri--NZN