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Das EU-Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten steht weiter auf der Kippe. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) drängte beim EU-Gipfel am Donnerstag auf eine Unterzeichnung, Kritiker wie Frankreich und Italien sind aber noch nicht überzeugt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erteilte einer Zustimmung erneut eine Absage. In Brüssel demonstrierten derweil tausende Landwirte gegen das Abkommen, einige von ihnen warfen mit Kartoffeln.
Merz zeigte sich ungeachtet der Proteste optimistisch. "Ich hoffe sehr, dass uns diese Zustimmung heute und morgen gelingt", sagte er zum Auftakt des für zwei Tage geplanten Gipfels. Er erwarte allerdings "noch eine längere Diskussion" mit den Kritikern des Abkommens.
Allen voran Frankreich: "Dieses Abkommen kann nicht unterzeichnet werden", sagte Präsident Macron in Brüssel. "Wir sind nicht bereit, die Rechnung geht nicht auf" betonte er und fügte hinzu, die EU dürfe für das Abkommen nicht die Interessen der Landwirtschaft opfern.
Paris knüpft seine Zustimmung an Schutzklauseln für seine Landwirte. Eine breite Mehrheit in der französischen Bevölkerung und der Politik lehnt das Abkommen strikt ab. Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni forderte am Mittwoch, die Unterzeichnung mindestens auf das kommende Jahr zu verschieben. Auch Polen und Ungarn waren zuletzt dagegen. Zusammen könnten die vier Länder den Abschluss verhindern.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen braucht grünes Licht aus dem Rat der 27 EU-Länder, bevor sie die Vereinbarung mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay im Namen der EU unterzeichnen kann. Eigentlich war die Unterzeichnung für Samstag bei einem Gipfel in der brasilianischen Stadt Foz do Iguaçu geplant.
Spanien und Portugal stehen wie Deutschland an der Seite der Befürworter. Es wäre "unverzeihlich, ein solches Abkommen nicht abzuschließen", sagte der portugiesische Regierungschef Luís Montenegro. Sein spanischer Amtskollege Pedro Sánchez betonte, für die Unterzeichnung sei "alles vorbereitet" - inklusive einer Schutzregelung für die europäischen Landwirte.
Vertreter aus dem Europaparlament und dem Rat der 27 Mitgliedsländer hatten sich am Mittwochabend auf eine solche Regelung geeinigt, die Bauern vor der billigeren Konkurrenz aus Südamerika schützen soll. Steigen die Einfuhren dieser Produkte aus den Mercosur-Staaten stark an und drücken in der EU die Preise, kann die EU-Kommission die Zölle wieder einführen.
Den französischen Bauern reichen diese Zusagen nicht aus. "Das ist unfairer Wettbewerb", sagte die Landwirtin Florence Pellissier, die für die Demonstrationen nach Brüssel gereist war, der Nachrichtenagentur AFP. Die Konkurrenz in Südamerika könne billiger produzieren und mehr Pestizide einsetzen.
Tausende Demonstranten zogen am Donnerstag in Richtung EU-Viertel. Die Polizei sprach von rund 7300 Teilnehmern und knapp tausend Traktoren, die über die Stadt verteilt Straßen blockierten. Der Demonstrationszug verlief weitgehend friedlich. AFP-Reporter beobachteten, wie eine Gruppe Demonstranten am Rande der Proteste Autoreifen anzündete und mit Kartoffeln warf. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein.
Das Mercosur-Abkommen soll die Zölle auf 91 Prozent aller zwischen der EU und dem Mercosur gehandelten Waren abschaffen. Nach Berechnungen der EU-Kommission könnten die jährlichen EU-Exporte nach Südamerika so um bis zu 39 Prozent wachsen. Während die Europäer unter anderem Autos und chemische Produkte über den Atlantik exportieren, liefern die Mercosur-Länder hauptsächlich landwirtschaftliche Produkte und Rohstoffe.
Die EU hatte sich selbst eine Frist bis Jahresende gesetzt, um das Abkommen abzuschließen. Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva warnte am Mittwoch, seine Geduld sei am Ende: Werde das Abkommen nicht wie geplant am Samstag unterzeichnet, werde es während seiner Amtszeit nicht mehr zustande kommen, drohte er.
Sollten sich die Fronten in Brüssel bewegen, könnten die 27 EU-Länder am Freitag über einen Abschluss des Abkommens abstimmen. Dann entscheidet sich, ob Kommissionspräsidentin von der Leyen ihr Flugticket nach Brasilien einlöst.
T.L.Marti--NZN