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Der Vorschlag, den Renteneintritt an die Zahl der Beitragsjahre zu koppeln, ist auf ein gemischtes Echo gestoßen. Während Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) ihm "viel abgewinnen" kann und die CDU ihn für diskussionswürdig hält, wird er von der Linken scharf kritisiert. Die Grünen bemängelten am Montag vor allem die erneut kleinteilige Renten-Diskussion, als notwendig erachten sie die Vorlage eines Gesamtkonzepts.
Der Ökonom Jens Südekum hatte sich in der "Bild am Sonntag" dafür ausgesprochen, den Beginn der Rente nicht mehr mit dem Alter, sondern mit der Zahl der Beitragsjahre zu verknüpfen. Vor allem für Akademikerinnen und Akademiker könnte dies ein späteres Renteneintrittsalter bedeuten. Denn durch ein Studium verzögert sich der Eintritt ins Arbeitsleben - und damit verringert sich die Zahl der Beitragsjahre. Südekum ist auch Berater von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD).
Bas (SPD) äußerte am Sonntagabend in der ARD Sympathie für Südekums Idee. Sie könne dem "viel abgewinnen" und finde das "gerechter", sagte die Ministerin. Sie kündigte eine Diskussion des Vorschlags in der geplanten Rentenkommission der Bundesregierung an.
Ähnlich äußerte sich am Montag SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf. Er finde, "dass es eine Idee ist, die deutlich besser geeignet ist, darüber zu diskutieren als eine schnöde Anhebung des Renteneintrittsalters", sagte Klüssendorf den Sendern RTL und ntv. Der SPD-Politiker betonte zugleich, dass ein flexibleres Renteneintrittsalter nur eine von mehreren Reformideen sei.
Für diskussionswürdig hält auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann den Vorschlag. Die Rentenkommission müsse "ohne Denkverbote und Vorfestlegungen arbeiten", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Die Überlegung, das Renteneintrittsalter an die Zahl der Beitragsjahre zu koppeln, gehört da sicherlich dazu."
Positiv äußerte sich auch CSU-Chef Markus Söder. Er finde "den Grundgedanken, dass man nach der eigenen Lebensarbeitszeit geht, sympathischer als es an ein bestimmtes Alter allein zu setzen", sagte Söder in München. Es müsse aber auch diskutiert werden, wie viel jemand in diesen Jahren tatsächlich gearbeitet habe. Der bayerische Ministerpräsident nannte hier unter anderem den Anteil von Teilzeit-Arbeit.
Die AfD hält es ebenfalls "für richtig, das Renteneintrittsalter nicht nach einer starren Altersgrenze zu bemessen". Notwendig sei "mehr Freiheit beim Renteneintritt", sagte die AfD-Rentenpolitikerin Ulrike Schielke-Ziesing der Nachrichtenagentur AFP. Zugleich dürfe niemand über die geltende Grenze von 67 Jahren arbeiten müssen - eine Verschiebung des Renteneintrittsalters darüber hinaus lehnt die Partei demnach ab.
Scharfe Kritik kommt von der Linken. Der Vorschlag sei "ein vergiftetes Angebot, denn er spielt verschiedene Betroffenengruppen gegeneinander aus", sagte Fraktionschef Sören Pellmann AFP. Von einem "fatalen Signal in Zeiten des Fachkräftemangels" spricht die Linken-Bildungspolitikerin Gohlke. "Wer studiert, darf dafür im Alter nicht bestraft werden." Der Vorschlag laufe für Millionen Menschen auf eine Rente erst ab 70 hinaus - Gohlke sieht hier "eine massive Rentenkürzung durch die Hintertür".
Als ungerecht erachtet auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, die Idee Südekums. "Der Vorschlag wird die Altersarmut nicht reduzieren, sondern Ungleichheiten verstärken", sagte Fratzscher der "Rheinischen Post". "Zudem wird er zu einem intensiven Streit über die Frage führen, ob und wann Unterschiede im Renteneintrittsalter berechtigt sind oder nicht." Aus Sicht des Ökonomen würden auf diese Weise "Menschen und vor allem Frauen, die viele Jahre ehrenamtlich tätig waren oder sich um die Familie gekümmert haben, schlechter gestellt".
Zurückhaltend äußerten sich die Grünen. "Jetzt muss es doch darum gehen, dass Menschen in der Lage sind, das Renteneintrittsalter von 67 Jahren überhaupt zu erreichen", sagte Fraktionschefin Britta Haßelmann AFP. Grünen-Parteichefin Franziska Brantner forderte die Bundesregierung auf, erstmal ein Gesamtkonzept zur Rente vorzulegen, satt jeden Tag eine neue Debatte zum Thema zu beginnen.
O.Hofer--NZN